Altern – aber richtig! Von wegen ANTI aging!
„Jeder möchte lange leben,
aber keiner will alt werden.“
Jonathan Swift
Früher sind die Menschen keine 40 Jahre alt geworden. In anderen Ländern ist das vielleicht immer noch so. Wieso als Anti-Aging? Es ist ein Privileg, älter und alt zu werden – das schafft schließlich nicht jede*r! Die Krux liegt darin, eine innere Haltung dazu zu entwickeln. Ohne diese ist Leiden vorprogrammiert.
Das Alter ist – wie das Geschlecht – keine rein biologische Feststellung, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt. Man ordnete es in verschiedene Kategorien ein: Du hoffst auf die Altersweisheit, kennst den Blickwinkel der Medizin und schaust auf das Alter als körperlichen Verfall oder kennst den Generationenkonflikt…
Seit der Antike sieht man das Alter als Zeit der Muße, also freuen wir uns heute immer noch auf den sogenannten Ruhestand: Wer Rentner kennt, weiß, dass viele von ihnen nie Zeit haben, weil sie ständig unterwegs sind. Im besten Falle macht es ihnen Spaß, manchen Menschen ist es aber auch ein „Zeit totschlagen“: „Was soll ich denn mit der ganzen Zeit anfangen?“ Die Ruhe darf oft auch hier nicht eintreten, es könnten Fragen hochkommen… Also fragen wir uns Folgendes:
Anti-Aging: Was soll das?
Selbst im Avon Beauty-Report von 2021 wird das „Ende des Anti-Aging“ eingeläutet (Zitat):
„Laut unseren Untersuchungen betrachten 2 von 5 Frauen im Alter von 55+ Jahren Falten und feine Linien nicht mehr als eine ihrer größten Hautunsicherheiten. In vielen Fällen hat die Pandemie die Zerbrechlichkeit des Lebens deutlich gemacht, und die Einstellung zum Altern hat sich erheblich verändert. Die Menschen wissen heute mehr denn je zu schätzen, dass das Altern ein Geschenk ist, und die Einstellung zum Altern als Schönheitsproblem hat sich entsprechend geändert. Anthony Gonzalez, Director of Global Skincare & Trend Innovation, sagt: „Das Endergebnis für Hautpflege und Schönheit ist, dass es in der Geschichte nicht nur um Anti- oder Pro-Aging geht, sondern um authentisches Altern.“ (..)“
Wechseljahre vs. Altern
Meist haben Frauen Angst vor den Wechseljahren, da sie auch als ein Zeichen des Älterwerdens gesehen werden. Das sollte man nur nicht durcheinanderbringen, ist aber auch nicht leicht voneinander zu unterscheiden.
Beides wird mit Verlusten in Verbindung gebracht: Verlust der Weiblichkeit, der, Attraktivität und der Gesundheit. Auch von verschiedenen Rollen in Familie und Beruf darf sich Frau in dieser Zeit oft verabschieden. Wie oben beschrieben wirst du diesen Lebensabschnitt gut oder schlecht empfinden und gestalten, je nachdem wie du bisher deine Lebenssituation, dein Selbstbild und deine Einstellung zum Alter entwickelt hast.
Dabei sehen Frauen ihre Wechseljahre oft in einem viel positiveren Licht (das liest frau nur nirgendwo!). Die Bandbreite reicht von „neue Freiheit und mehr Energie“ bis „sich alt und nutzlos fühlen“. Die, die sich damit schon im Vorfeld auseinandersetzen, nehmen sie als weniger stressig war, weil sie sich ihren eigenen Handlungsspielraum schon im Vorfeld geschaffen haben. Sie sorgen besser für sich. Viele nehmen diese Phase zum Anlass, über ihr Leben nachzudenken und sich kritische Fragen zu stellen: Wer will ich sei, was ist mir wirklich wichtig im Leben und was soll noch kommen?
Altern an sich könnte ja auch eine gewisse Reife und Erfahrung bedeuten!
„Alter bringt nicht immer Weisheit mit sich.
Manchmal kommt es auch allein.“
Mark Twain
Eben auch wahr: Nicht jeder Graukopp ist weise! Ich wünsche mir mehr Klarheit und Unterscheidungsfähigkeit, wenn ich so vor mich hin altere. Das „trainiere“ ich mit Yoga und Meditation seit bald dreißig Jahren – also hoffe ich, dereinst zu den Weiseren zu gehören. Wer weiß?
Dazu müssen wir also erst mal definieren, was Altwerden eigentlich ist.
Wie wäre es „Well aging“?
Alt werden wir also alle – von Anfang an. Was gemeint ist, ist das Abnehmen von Fähigkeiten: des Körpers, der Sinne, des Gedächtnisses, der Sexualität etc. Es geht also nicht nur um den körperlichen Verfall, alles mögliche lässt nach. Damit einen guten und würdevollen Umgang für sich zu finden, fanden schon die Menschen in der Antike spannend. Für sie waren Disziplin, Ernst, Würde und Selbstreflexion entscheidend.
In Asien gehört lebenslange Selbstkultivierung und lebenslanges Lernen auch noch dazu. Genau wie bei den Stoikern der Antike. Und das ist es, was ebenfalls durch die Yamas und Niyamas im Yoga geübt werden soll: Eine innere Ethik soll in jungen Jahren entwickelt werden, um dann im Alter für eine stabile innere Haltung zu sorgen.
Altersbilder und -stereotypen
Bei Altersstereotypen geht es um die gesellschaftlichen Erwartungen an alte Menschen. Wir erwarten alterstypische Merkmale und ein „altersgerechtes“ Verhalten. Wenn wir von diesen Erwartungen auf andere schauen, haben wir ein klares Bild – meinen wir.
Wenn ich an alte Menschen denke, habe ich Bilder im Kopf aus den 80er Jahren: Da hatten alte Menschen hautfarbene Gesundheitsschuhe an und trugen blaue getöntes, onduliertes Haar. Heute sehen wir die Senioren auf Kreuzfahrten in Hawaii-Hemden abhängen und Fallschirmspringen. Da hat sich wohl etwas geändert!
Altersstereotype sind als „kontextspezifisch“, man kann man nicht herausgelöst aus ihrem Umfeld betrachten. Alte auf dem Land oder in Bayern sind nicht wie Alte in der Stadt oder in Berlin. Das beeinflusst die eigene Wahrnehmung von „alt“ für sich selbst. Wenn wir den Blick auf uns selbst wenden, werden wir ja niemals wirklich alt, oder?
Wie du andere als alt wahrnimmst, prägt später dein Bild von dir selbst: Sind es negative Bilder, dann beeinträchtigen sie deine Selbstwirksamkeit und deinen Lebenswillen. Du siehst dich selbst als Entwicklungs-fähig oder -unfähig.
(Überlegungen aus: „Altern in Deutschland Band 1, Bilder des Alterns im Wandel“, verschiedene Essays, Herausgegeben von: Jürgen Kocka (Berlin) und Ursula M. Staudinger (Bremen) 2009)
Bei mir im Yogakurs sind eher die Senioren, die noch ein Potenzial für sich suchen, sie wollen dran bleiben, sind entwicklungsfähig, reflektiert und wollen noch etwa ausprobieren.
Andere gehen im gleichen Alter (oder jünger) nicht mehr zum Sport oder zum Seniorentreff. Vielleicht mache die andere Dinge – ich will nicht sagen, dass sei sich aufgegeben haben. Sie sehen nur nicht, dass es körperlich und geistig den Unterschied macht, sich zu bewegen oder etwas Neues auszuprobieren. Das muss ja auch kein Yoga sein!
Es liegt bei dir, wann du dich selbst aufgibst oder, ob du noch etwas Neues ausprobierst. Und zurück zum Avon Beauty Report: Kannst du gleichzeitig dein Alter und deine Falten würdigen und deine Erfahrungen schätzen – ohne Botox zu bemühen?
Verändert sich das Bild der älteren Frau?
Die Medizin behauptet nun schon eine ganze Weile, dass sich mit den Wechseljahren das Altern beschleunigt und wir uns ab der Menopause besondere Sorgen machen müssten. Das ist nur so, wenn man die Wechseljahre nicht als Übergang, sondern als Krankheit sieht.
Sie sind KEINE KRANKHEIT, sondern normal:
Dabei ist das der natürliche Zustand, den wir Frauen annehmen müssen. Die Pharmaindustrie sagt uns aber: Das musst du nicht hinnehmen, nimm doch Hormone! Kannst du machen, aber habe bitte die Folgen im Blick. Denn der Wechsel hin zum Alter wird kommen – so oder so – und es ist besser, darauf vorbereitet zu sein als sich dann „so ausgeliefert“ zu fühlen.
Ob Hormone oder nicht, wie wird die alte Frau in der Gesellschaft und in den Medien dargestellt?
Männer sind länger in Firmen und in den Medien präsent. Rolemodels für Frauen in mittleren Jahren sucht man vergebens – das war Jahrzehnte lang eigentlich nur Iris Berben – und ein paar andere, die dann auch überall gehypt wurden. Jetzt mögen es mehr sein. Ältere Frauen spielen in Wirtschaft und Medien eigentlich nur Nebenrollen, außer vielleicht die ewige Miss Marple!
- Welches Rolemodel hast du im Kopf, wenn ich von einer alten Frau rede?
- Und was bedeutet Altern für dich?
Unterschiede im Altern zwischen Männern und Frauen
- Funktionale Gesundheit: Frauen haben über die gesamte zweite Lebenshälfte hinweg eine eingeschränktere funktionale Gesundheit als Männer. Mit steigendem Alter nimmt der Unterschied zwischen Frauen und Männern zu.
- Lebenszufriedenheit: Frauen sind im mittleren Erwachsenenalter zufriedener mit ihrem Leben als Männer, mit steigendem Alter aber unzufriedener als Männer.
- Depressive Symptome: Frauen haben ein höheres Depressionsrisiko, das zudem stärker ansteigt als bei Männern.
- Soziale Isolation: Frauen haben bis ins höhere Alter (etwa bis 80 Jahre) ein geringeres Isolationsrisiko als Männer, danach ein größeres Risiko.
- Einsamkeit: Frauen haben bis in das siebte Lebensjahrzehnt ein geringeres Einsamkeitsrisiko als Männer, danach ein höheres Risiko.
- Pflege und Unterstützung von kranken Personen: Frauen übernehmen Pflegetätigkeiten früher in der zweiten Lebenshälfte und häufiger als Männer. Erst ab dem achten Lebensjahrzehnt gibt es keinen nennenswerten Geschlechterunterschied mehr.
- Ehrenamtliches Engagement: Frauen haben eine geringere Wahrscheinlichkeit als Männer, sich ehrenamtlich zu engagieren. Dieser Geschlechterunterschied nimmt mit dem Älterwerden ab und etwa ab dem neunten Lebensjahrzehnt ist er kaum noch vorhanden.
Wie wäre es, wenn Veränderungen ein Neuanfang wäre?
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ sagt Hermann Hesse, aber der war ja auch keine Frau! Trotzdem ist das eine zielführende und sehr yogische Einstellung: Annehmen, was ist, und eine neue Haltung dazu finden.
Nicht nur der Körper verändert sich, im besten Falle reift auch der Geist. Manchmal möchtest du vielleicht gern länger Dinge oder Menschen in deinem Leben behalten. Und genau dann kann es unter Umständen sehr schmerzhaft werden. Am Ende musst du alles und jeden ziehen lassen. Nackt sind wir auf diese Welt gekommen und nackt werden wir wieder gehen. Menschen verlassen dein Umfeld, du gehst aus der Arbeit in die Rente, die Kinder machen ihr eigenes Ding.
Die Frage ist immer die gleiche:
Und wie gehst du damit um?
Natürlich darfst du traurig sein. Und auch das kann gestaltet werden: Abschied nehmen und trauern. Machst du das eigentlich auch mit deiner Jugend, mit deiner Kraft, mit deiner Sexualität? Wir sollten dafür Rituale finden und gemeinsam unsere Jugend verabschieden und das Neue willkommen heißen. Das wäre doch ein schöner Neuanfang: Such dir Gleichgesinnte!
Den Wandel verstehen
Doch noch besser wäre es doch, nicht der Jugend hinterher zu trauern: Mit den ständigen Vergleichen, wie doch früher alles vermeintlich besser war, machst du dir das Leben schwer und leidest. Solange du noch vor dir Herausforderungen sehen kannst, bleibst du neugierig und offen – das Leben hält noch Wunder, Geschenke und Offenbarungen für dich bereit.
Viele Leute warten sehnsüchtig auf die Rente: Und du denkst, du hast dann endlich Zeit für die eigenen Pläne! Das können Reisen und Museen sein, ausschlafen und mit einer Freundin frühstücken gehen. Das geht aber nur, wenn du nicht vorher schon dein Burnout vorangetrieben hast, und dich nicht zu krank und ausgelaugt fühlst. Vielen Frauen gelingt das, doch noch weniger Männern. Da sitzt er dann zu Hause. Gut, wenn er ein Ehrenamt oder ein Hobby mit anderen Menschen pflegt!
Also, was sind die Perspektiven für dich, für uns?
Was bedeutet „gelungenen Altern“?
„Alte Leute sind gefährlich;
sie haben keine Angst vor der Zukunft.“
George Bernard Shaw
Wir sehen eine zunehmende Enttraditionalisierung, Individualisierung und Pluralisierung von Lebensformen in modernen Gesellschaften. Das kann man so oder so bewertet – gut oder schlecht?
Doch führt das auch zu einem Wandel der Altersbilder, es stehen mehr Möglichkeiten zur Verfügung. Als Rentner weiter arbeiten? Warum nicht? Du kannst dich neu erfinden, musst es nicht so machen wie deine Eltern. Auf der anderen Seite wird auch mehr von dir erwartet.
Die „Ruhestandskultur“ wandelt sich
Als „gelungenes Altern“ gilt, dass Senioren weiterhin einen aktiven, selbstbestimmten und flexiblen Lebensstil führen. Die Medien verbreiten das, und auch die Wirtschaft findet in aktiven Senioren das „Dritte Alter“. Wirtschaft, Medizin oder die Bundesregierung (siehe weiter oben im Text) betreiben Altersforschung, was natürlich zu besseren Erkenntnissen über die zweite Lebenshälfte führt. Seit der Entdeckung der Neuroplastizität des Gehirns (Michael Merzenich, 1993) ist auch im Alter alles noch möglich: Das nährt natürlich die Hoffnungen, die körperliche, psychische und soziale Situation von jedem einzelnen beeinflusst werden kann – auch des Alterns.
Das lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück: Einerseits in freudiger Hoffnung, was noch alles geht. Und andererseits ist da der Erwartungsdruck der Gesellschaft, ein aktiver und kompetenter Rentner werden und sein zu müssen – bis ins hohe Alter alles selbst machen zu müssen. Wie siehst du das Alter – vielleicht bei deinen Eltern oder bei dir selbst?
Nachtrag zum Thema role models in den Medien
aus einem Interview der Zeit vom 14. Februar 2023:
„Es geht mir auch um Sensibilisierung. Welche Altersbilder sind in unserer Gesellschaft sichtbar? Wir leben in Deutschland in einer offenen Gesellschaft, aber die zweite Lebenshälfte wird gerne ausgeblendet. Wie viele Menschen über 50 siehst du auf einem Plakat, siehst du irgendwo abgebildet, siehst du als role model? Es gibt sie nicht. 21 Millionen Frauen, ein Viertel der Gesellschaft, werden nicht abgebildet. Wir als Schauspielerinnen sind Mediatorinnen, wir könnten diverse und interessante Altersbilder sichtbar machen. Aber die fiktionalen Rollenangebote für Frauen in der zweiten Lebenshälfte stimmen alle nicht mehr. Frauen sind nicht mehr nur Ehefrauen, bis sie in die Grube gehen. Wir brauchen Geschichten, die anders erzählt werden, mutiger“
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