Therapien für psychische Verletzungen
Ich hatte dir ja bereits einige Therapieformen vorgestellt. Heute möchte ich zwei vertiefen und sie mit Yoga in einen Zusammenhang stellen: Traumtherapie und körperorientierte Psychotherapie.
Ein Trauma kann man auch als „verkörperte“ seelische oder psychische Verletzung beschreiben. Da liegt es nahe, Körpertherapie und Traumatherapie zusammenzubringen.
Die herkömmliche Herangehensweise konzentrierte sich vor allem auf den Verstand: Alles muss durch den Kopf gehen. Im Falle eines traumatischen Erlebnisses fehlen jedoch oft die Worte. Ja, man bleibt eigentlich sprachlos zurück in dieser Situation!
So wurden früher vor allem Techniken wie Gesprächstherapie, kognitive Umstrukturierung und Expositionstherapie eingesetzt, um das Erlebte zu verarbeiten. Diese Ansätze sind erfolgreich, wenn du Worte dafür hast. Doch wird der Körper als Ort dieser Erinnerungen nicht einbezogen und ein wichtiger Aspekt fehlt dann zur Heilung:
Ziel ist es, sich im Körper wieder zu Hause und sicher zu fühlen.
Wenn Erinnerungen dich aus dem Gleichgewicht bringen
Der Körper ist ein mächtiger Träger von Erinnerungen und Emotionen. Traumatische Ereignisse können zu einer Reaktion des Nervensystems führen, die dich dauerhaft aus dem Gleichgewicht bringt. Du bist dann in einem Zustand ständiger Alarmbereitschaft oder bleibst in der Erstarrung. Das führt zu körperlichen Verspannungen, Schmerzen, Atembeschwerden und oft zu einem gestörten Körperbild.
Falsch verwendeter Begriff
Heutzutage wird der Begriff „traumatische Erinnerungen“ oft fälschlicherweise im Kontext alltäglicher, belastender Erfahrungen verwendet, die starke Emotionen hervorrufen. Es ist wichtig, diese Verwendung von einem „echten Trauma“ abzugrenzen, das eine tiefgreifende und lebensverändernde psychische Verletzung infolge eines einschneidenden Ereignisses darstellt. Dies kann beispielsweise Missbrauch, Gewalt, Unfall, Naturkatastrophen oder Kriegserfahrungen umfassen.
Ein belastende Erinnerungen kann zwar starke Gefühle auslösen, ein echtes Trauma bedeutet jedoch eine schwerwiegende psychische Verletzung, die zu folgenden Symptomen führen kann:
- Flashbacks: Betroffene erleben wiederholt intensive und lebendige Erinnerungen an das traumatische Ereignis, als ob es erneut stattfinden würde.
- Vermeidungsverhalten: Um schmerzhafte Erinnerungen oder Trigger zu vermeiden, entwickeln Traumaüberlebende oft Vermeidungsstrategien und meiden bestimmte Orte, Situationen oder Gespräche.
- Übererregbarkeit: Betroffene sind oft in einem Zustand ständiger Alarmbereitschaft und reagieren übermäßig empfindlich auf äußere Reize. Dies äußert sich häufig in Schlafstörungen, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten.
- Emotionale Taubheit: Manche Menschen, entwickeln eine emotionale Taubheit und können Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle auszudrücken oder zu erkennen.
- Soziale Rückzug: Aufgrund der starken emotionalen Belastung und der Schwierigkeit, mit anderen darüber zu sprechen, ziehen sich Betroffene häufig aus sozialen Beziehungen zurück und isolieren sich von Freunden und Familie.
Traumatherapie, körperorientierte Therapie & Yoga?
Ganzheitliche Behandlung können durch Kombination von Therapieansätzen nützlich sein: Um eine umfassende Heilung zu fördern, setzen Therapeuten deshalb immer öfter auf eine ganzheitliche Behandlung. Dazu kombinieren sie bei Traumatherapie und körperorientierte Therapie. So wird auf die psychische, traumatischen Erinnerungen und auf deren körperlichen Auswirkungen eingegangen, das trägt zu einem integrativen Heilungsprozess bei.
Traumatherapie
Sie ist eine besondere Art von Psychotherapie, die darauf abzielt, Menschen nach traumatischen Ereignissen zu unterstützen. Die Auswirkungen davon können echt heftig sein – Flashbacks, Albträume, Übererregbarkeit, Vermeidungsverhalten, Depressionen oder Angstzustände.
Bei diesem Ansatz gibt es verschiedene Methoden, um den Leuten zu helfen, ihre Traumata zu verarbeiten und die damit verbundenen Symptome zu lindern. Sie basieren auf verschiedenen theoretischen Ansätzen und Schwerpunkten, doch ist ihr gemeinsames Ziel, traumatische Erinnerungen zu bearbeiten und für mehr Wohlbefinden im eigenen Körper zu sorgen.
Klar, das Ganze ist meistens keine Kurzzeittherapie. Je nach Schwere der psychischen Verletzung kann das ein paar Monate oder sogar Jahre dauern. Aber keine Sorge, gut ausgebildete Therapeutinnen können dir dabei helfen, die beste Methode und Therapieform für dich auszusuchen. Wichtig ist, dass du Unterstützung bekommst und wieder zurück zu einem erfüllten Leben findest.
Körperorientierte Therapie
Zu diesen Ansätzen gehören Therapieformen wie wie Somatic Experiencing, Sensorimotorische Psychotherapie und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Sie setzen darauf, das Bewusstsein für körperliche Empfindungen zu erhöhen und somit emotionale und psychische Belastungen zu verarbeiten und zu lindern.
Sie sind sehr vielseitig und können dir dabei helfen, Vertrauen in deinen Körper zurückzugewinnen, deine Ressourcen zu aktivieren und die Auswirkungen des Traumas zu mildern. Es wird ein besonderer Fokus auf das Bewusstsein und die Verarbeitung von körperlichen Empfindungen gelegt. Wenn du dich auch schon bei anderen stressbedingten Symptomen auf deinen Körper verlässt, wirst du merken, dass dieser Ansatz auch in deinem Alltag super funktioniert:
Höre auf deinen Körper!
Nur gerade Menschen mit Traumatisierungen haben die Erfahrungen gemacht, dass sie nicht sicher im Körper sind. Das führte dazu, sich nicht mehr fühlen zu wollen oder zu können. Einige der bekanntesten körperorientierten Therapieformen sind Körperpsychotherapie, Gestalttherapie, Hakomi-Therapie und Bioenergetik. Dabei werden verschiedene Techniken eingesetzt, um dir dein körperliches Erleben bewusster zu machen. Beispielsweise:
- Atemübungen
- Entspannungsübungen
- Körperwahrnehmungsübungen
- Körperarbeit, wie z.B. Massage oder Yoga
- Bewegungs- und Ausdrucksübungen, wie z.B. Tanz oder Theater
Für mich passt das gut zum Yoga und erklärt auch, warum sich Yoga für die meisten Menschen so gut anfühlt. Durch eine bessere Wahrnehmung kannst du verstehen und lernen, wie Bewegung und Hinspüren zur Bewältigung deiner psychischen Belastungen beitragen können. Die körperorientierte Therapie kann bei verschiedenen psychischen Erkrankungen regulierend wirken, wie z.B. Angststörungen, Depressionen, Posttraumatischen Belastungsstörungen oder Essstörungen.
Und das Ganze bitte Yoga-sensitiv!
Durch die Einbeziehung des Körpers können tiefgreifende Veränderungen auf zellulärer Ebene stattfinden und ermöglicht eine umfassende Heilung.
Das merken Yoginis, die regelmäßig üben: Sie werden gelassener, widerstandsfähiger, schulen sich in der Wahrnehmung ihres Körpers und ihrer Intuition. Yoga kann also eine wertvolle Ergänzung in der ganzheitlichen Behandlung sein, weil es eine regulierende Wirkung auf das Nervensystem hat. Das trägt zu mehr Kraft, Selbstbewusstsein und -fürsorge bei.
Yoga-sensitive Therapie?
Wie auch im Yoga lenke ich in der Therapie deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem und deine momentanen Empfindungen. Beide Ansätze berücksichtigen die Bedeutung des Körpers im Heilungsprozess: Mit einer erhöhten Wahrnehmung lernst du, Körpersignale zu erkennen und deine Ressourcen zu aktivieren. Das können die meisten Menschen relativ schnell lernen: Nicht-Traumatisierte haben Zugriff auf ihre Ressourcen und können sich in ihrem Körper (ein)fühlen.
Für traumatisierte Menschen fängt die Arbeit allerdings hier bereits an.
Die Wirkung einer integrativen Therapie
Eine integrative Therapie aus allen drei Ansätzen ermöglicht eine tiefgreifende Veränderungen auf verschiedenen Ebenen. Meine Idee ist, durch die Einbeziehung des Körpers im therapeutischen Prozess nicht nur psychische, sondern auch physische und zelluläre Heilungsprozesse hebeizuführen.
Lass es uns herausfinden!
Hast du Fragen? Schreib mir gern etwas in den Kommentar oder buche einen kostenlosen Zoomcall. Jetzt buchen!
2 Antworten
Liebe Annette,
vielen Dank für deine inspirierenden, umfassenden Artikel. Es fühlt sich gut und bereichernd an deinen Ausführungen zu folgen.
Gibt es für Samstag, 18.11.23 noch einen Platz in deinem „Bewegung“ Workshop?
Liebe Grüße
Stephanie Tscharnke
Vielen Dank, liebe Stephanie!