Emotionen zulassen und sie fühlen
Gefühle sind ein grundlegender Bestandteil deines Menschseins. Wenn du sie ignorierst oder unterdrückst, verleugnest du einen wichtigen Teil von dir selbst. Das kann langfristig zu psychischen Belastungen führen.
Wenn du deine Gefühle zulässt und fühlst, kannst du einen tieferen Kontakt mit dir selbst herstellen. Es ist, als würdest du deine eigenen inneren Landschaften erkunden, voller Höhen und Tiefen, aber auch voller Schönheit und Potenzial. Indem du deine Gefühle akzeptierst und annimmst, verstehst du dich besser und kannst liebevoller mit dir umgehen.
Oft sind wir viel zu hart zu uns selbst!
Auf lange Sicht kann das Ignorieren oder Unterdrücken von Gefühlen zu psychischen Belastungen führen, das führt wie auf einer Autobahn zu einem Stau: Die aufgestauten Emotionen können zu Stress, Angstzuständen oder Depressionen führen. Es ist also wichtig, Emotionen zu bewegen, sie wie Verkehr fließen zu lassen.
Wenn sich nichts mehr bewegt, kann sich auch nicht ändern.
Therapie als Bewegungsraum – für Gefühle
Für ich ist eine Therapie auch wie Yoga: Du bewegst dich, wirst elastischer: Du lernst, deine Gefühle zu benennen, zu erforschen und zu bewegen und neue Blickwinkel einzunehmen.
In der Psychotherapie schaffst du gemeinsam mit der Therapeutin für dich einen Raum, in dem du deine Gefühle erforschen und verstehen kannst. Du bleibst in der Erforscher-Haltung OHNE sie zu bewerten oder dich und die Gefühle zu verurteilen. Indem du deine Gefühle in einem sicheren Raum durchleben kannst, findest du Wege, mit ihnen besser und gut im Alltag umzugehen.
Dann wird das Zulassen und Fühlen von Gefühlen ein Akt der Selbstliebe und Selbstachtung:
Indem du dich selbst anerkennst, kannst du deine Gefühle ehren und kannst ein tieferes Verständnis über dich selbst entwickeln.
Gefühle: kulturelle Empfindungen
Gefühle sind die Farben auf deiner persönlichen Farbpalette. Sie sind eingebettet und gefärbt durch dein kulturelles Umfeld:
- deine Erfahrungen
- Traditionen deiner Kultur
- sozialen Normen
- die Erfahrungen deiner Familie etc.
In einer Gesellschaft, die Wert auf Unterdrückung von Emotionen legt, können Trauer und Angst oft nur versteckt oder unterdrückt werden. In anderen Kulturen können Freude und Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund stehen. Deine kulturelle Identität wirkt wie ein Filter, wie du Gefühle wahrnimmst und ausdrückst.
Stell dir vor, du könntest Emotionen wie Wut oder Frustration offen ausdrücken: Wenn du dich in einer Situation befindest, die dich verärgert, könntest du diese Gefühle spontan und direkt zum Ausdruck bringen, ohne Angst vor sozialer Verurteilung zu haben. Das wäre doch super, oder?
Da deine Prägung dich darauf vorbereitet, deine Emotionen auf eine bestimmte Weise zu verarbeiten und auszudrücken, fällt es dir vielleicht noch nicht mal auf, dass es auch anders gehen könnte. Es ist immer gut, über den Tellerrand zu schauen:
- Wie machen das andere Kulturen?
- Könnte das für dich eine Bereicherung darstellen?
Im preußisch-protestantischen Umfeld zeigen wir ungern Gefühle (nach außen). Wir trauern da besser – sozial akzeptiert – privat. In südlichen Ländern wir lauthals und tränenreich der Tod einer geliebten Person beklagt. Das eine ist weder besser noch schlechter als das andere. Nur sollten wir uns selbst die Möglichkeit geben, es auch anders machen zu dürfen. Meist geben wir uns selbst nicht die Erlaubnis dazu.
- Wie wäre es, wenn du beim nächsten Streit mal anders reagierst als gewöhnlich?
- Könnte das für dich interessant sein, wie dein Umfeld reagiert?
Emotionen: Essenz des Lebens
Emotionen sind wie das pulsierende Leben selbst. Sie sind die Essenz, die uns durchdringt und ebenfalls unsere Erfahrungen färbt. Sie sind angeboren und in deiner kulturellen DNA verwurzelt.
Studien zeigen, dass bestimmte emotionale Reaktionen universell sind, während andere stark von der kulturellen Umgebung abhängen. Zum Beispiel kann die Freude über den Erfolg eines Freundes in einer kollektivistischen Kultur stärker sein, da Erfolge oft als gemeinsame Errungenschaften betrachtet werden.
Emotionen sind intensive und unmittelbare Gefühle, sie erfassen uns im Sturm und lassen uns die Welt um uns herum auf eine ganz eigene Weise wahrnehmen. Sie sind das Salz in der Suppe!
Angenommen, du stehst vor einer großen Menschenmenge und wirst plötzlich von einem Gefühl der Angst überwältigt. Dein Herz beginnt schneller zu schlagen, deine Hände werden feucht und dein Verstand fängt an, nach Fluchtwegen zu suchen. Diese Reaktion ist nicht nur eine individuelle Erfahrung, es springt das Echsengehirn an, um auf Bedrohungen zu reagieren: Du möchtest vor dem Säbelzahntiger weglaufen. Ohne diese Reaktionen hätten wir nicht überlebt.
Also herzlichen Glückwunsch, du gehörst zu den Überlebenden!
Wenn Ängste bei einem geringen Risiko für Leib und Leben dich plagen (Spinnen sind in unseren Breitengraden fast nie giftig!), ist das eine übermäßige Reaktion. Passiert schon mal wenn du eine Situation missdeutest. Passiert es dir öfter und fühlst du dich davon in deinem Alltagserleben eingeschränkt sprich mal mit deinem Hausarzt. Das könnte auf eine Störung hinweisen – muss es aber nicht. Vielleicht lebst du gerade in einer stressigen Phase deines Lebens.
Stimmungen: Die Melodie deines Gemüts
Stimmungen sind wie die leise Melodie des Gemüts, die uns sanft umhüllt. Im Gegensatz zu Emotionen sind Stimmungen von geringerer Intensität und dauern länger an. Sie haben keinen klaren Objektbezug und können von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, wie zum Beispiel vom Wetter, von persönlichen Erfahrungen oder von sozialen Interaktionen.
Sie können eine subtile Atmosphäre schaffen, die unser Verhalten und unsere Wahrnehmung der Welt beeinflusst, indem sie das Auftreten bestimmter Emotionen wahrscheinlicher machen. Das eine bedingt das andere.
Wie fühlst du dich an einem regnerischen Tag?
Melancholisch und nachdenklich, ohne zu wissen wieso? Das ist dann an diesem Tag deine Stimmung. Sie wird eben auch vom Wetter beeinflusst, was dazu führt, dass du dich eher in dich selbst zurückziehst. Du denkst über vergangene Erinnerungen nach. Eine Stimmung hat keinen direkten Objektbezug, sondern wird vielmehr von äußeren Einflüssen mitbestimmt.
Erforsche deine Gefühlen
Wenn du dich deinen Gefühlen öffnest, kannst du tiefer in die Ursachen deiner Probleme eintauchen und möglicherweise sogar Blockaden lösen.Das geht nur in einer eine Atmosphäre von Akzeptanz, Empathie und Nicht-Urteilen, in der du dich sicher fühlen kannst. Denn du möchtest hier deine tiefsten Gefühle erkunden, das ist ein sensibler Ort in dir für jede*n. Du solltest dich von Wohlwollen getragen fühlen!
Oftmals sind unsere Emotionen mit vergangenen Erfahrungen, Traumata oder unbewussten Konflikten verbunden. Indem du ihnen Raum gibst und sie durchlebst, kannst du besser verstehen, warum du dich auf bestimmte Weise fühlst und handelst. Das kann dazu beitragen, verborgene Muster und Blockaden aufzudecken.
Stell dir deine Gefühle sind wie Puzzlestücke vor, die zusammenkommen, um das Bild deines Lebens zu bilden. Wenn du bestimmte Gefühle unterdrückst oder ignoriert hast, fehlen diese Puzzlestücke. Das Bild bleibt unvollständig für dich: Es fühlt sich an, als fehlte etwas in deinem Leben. In der Therapie geht es darum, diese fehlenden Stücke zu finden und sie in das Gesamtbild zu integrieren, damit du ein klareres Verständnis von dir selbst und deinen Erfahrungen gewinnen kannst.
Gefühle zulassen, erleben und akzeptieren
Auf Arnolds Newsletter wurde gerade in der letzten Woche eine Studie: “Forscher verfolgten die emotionalen Reaktionen von Menschen auf verschiedene visuelle Reize und stellten fest, dass die, die nicht versuchten, ihre intensiven Reaktionen – ob positiv oder negativ – zu unterdrücken, glücklicher waren. Sie hatten weniger Ärger und es war unwahrscheinlicher, dass sie in Situationen schlecht auf ähnliche Stressfaktoren reagierten.” (eigene Übersetzung)
Wenn du versuchst, Gefühle zu unterdrücken, können sie mehr Schaden anrichten als nützen. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Emotionen anzuerkennen und zu akzeptieren zu mehr Flexibilität führen: Anstatt nur die gute Gefühle anzunehmen und die miesen beseitigen zu wollen, hilft es viel mehr, die Situationen zu erleben wie sie sind. Das macht anpassungsfähiger und verursacht weniger Stress. Wenn du frustriert bist, ist es besser den Frust zu akzeptieren und ihn dann loszulassen. Sonst gockert das in deinem Unterbewussten weiter und bindet Energien.
Er gibt uns auch einen Rat: “Wenn du dich in schwierigen Momenten wiederfindest, trenn deine Gedanken von deinen Bewertungen. Oft verdrängen wir unsere Gefühle, weil wir glauben, dass sie von einem schlechten Charakter zeugen. Aber ein Gedanke ist nur ein Gedanke. Gedanken und Gefühle ohne Urteil zuzulassen, kann helfen, Situationen klarer zu sehen und zu lernen, sich anzupassen.” (eigene Übersetzung)
Kommunikation nach innen
Beispielsweise kann es sein, dass du Angst vor Nähe hast, wenn du in der Vergangenheit verletzt wurdest. Durch das Zulassen und Fühlen dieser Angst kannst du erkennen, dass diese Angst mit früheren Verletzungen zusammenhängt und nicht unbedingt etwas mit deiner gegenwärtigen Situation zu tun hat. Indem du diese Angst durchlebst und verstehst, kannst du lernen, sie zu überwinden und gesunde Beziehungen aufzubauen. Die Kommunikation geht also erst mal zu dir nach innen, bevor deine Beziehungen im Aussen gelingen können.
Studien haben gezeigt, dass das Zulassen und Fühlen von Gefühlen in der Therapie effektiv sein kann. Zum Beispiel fand eine Studie von Leslie S. Greenberg und anderen Forschern heraus, dass die Emotionsfokussierte Therapie (EFT) dazu beitragen kann, emotionale Blockaden zu lösen und die psychische Gesundheit zu verbessern. Diese Therapieform zählt in den USA zu den populärsten Paarbehandlungsmethoden und konzentriert sich darauf, den Klient*innen zu helfen, ihre Emotionen zu erkennen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren, was zu einer verbesserten emotionalen Regulation führen kann.
Das Zulassen und Fühlen von Gefühlen ist wichtig, weil es dir ermöglicht, tiefer in dich selbst einzutauchen und verborgene Ursachen für deine Probleme zu entdecken. Dadurch holst du die Lösungsmöglichkeiten zu dir und erwartest das nicht allein von deiner*m Partner*in.
Emotionale Regulation & Beziehungen
Wenn du lernst, deine Gefühle zu akzeptieren und zu fühlen, kannst du sie auch regulieren und auf sie angemessen reagieren. Das hilft dir, mit stressigen Situationen anders umzugehen und Stressoren umzugehen, denen du begegnest.
Die Fähigkeit zur emotionalen Regulation schützt dich und hilft dir, bei extremen äußeren Schwankungen stabil zu bleiben. Sie ermöglicht dir darüber, gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln und ungesunde Verhaltensweisen zu vermeiden. Indem du lernst, deine Emotionen zu erkennen und zu verstehen, kannst du besser mit Stress umgehen und deine Beziehungen stärken.
- Studien haben gezeigt, dass eine dysfunktionale emotionale Regulation mit einer Vielzahl von psychischen Problemen verbunden sein kann, darunter Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen. Zum Beispiel haben Forscher wie James J. Gross in ihrer Arbeit “Emotion Regulation: Conceptual and Empirical Issues” („Emotionsregulation: Konzeptionelle und empirische Fragen“) gezeigt, dass Schwierigkeiten bei der Regulation von negativen Emotionen ein Risikofaktor für die Entwicklung von Depressionen sein können.
- Auf der anderen Seite haben Forschungen, wie die von Lisa Feldman Barrett in ihrem Buch “Wie Gefühle entstehen“, gezeigt, dass eine effektive emotionale Regulation dazu beitragen kann, deine psychische Gesundheit zu stärken. Alles wird bunter, klarer und einfacher – denn du bist ganz bei dir!
Stressbewältigung: Den Deckel rechtzeitig öffnen
Die Therapie unterstützt und bestärkt Menschen auf ihrem persönlichen Weg: Das kann durch Techniken wie Achtsamkeit, kognitive Umstrukturierung und das Erlernen von Stressbewältigungstechniken erreicht werden.
Indem du lernst, deine Emotionen zu erkennen, zu verstehen und angemessen auf sie zu reagieren, können alte Wunden heilen und traumatische Erfahrungen verarbeitet werden. Lasse also deine Gefühle zu in einem geschützten Umfeld mal zu und fühle sie. Erst dann hast du die Möglichkeit mit ihnen umzugehen. Das geht nicht, wenn wir den Deckel die ganze drauf halten. Und oft genug fliegt uns das Ganze (immer zur falschen Zeit, meist bei sehr hohem Druck!) um die Ohren.
Kennst du das vielleicht?
Also, lass deine Gefühle zu, egal ob sie positiv oder negativ sind. Gefühle müssen durchlebet und Emotionen bewegt werden. Sie sind ein wichtiger Teil von dir und können dir dabei helfen, dich selbst besser zu verstehen und zu wachsen.
Hast du Fragen oder Anregungen? Schreib mir gern etwas in den Kommentar oder buche gern für einen Austausch mit mir einen kostenlosen Zoomcall. Jetzt buchen!